Energieversorgung
In diesem Chapter zeigen wir, wie der Übergang zu einer fossilfreien Energieversorgung aussehen könnte.
Du liest die Kurzfassung des Klimaaktionsplans. Hier kannst du das Kapitel in voller Länge lesen:
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Überblick
Es ist absehbar, dass die Dekarbonisierung des Energiesystems auch mit konsequenten Effizienz- und Suffizienzmassnahmen zu einem Anstieg des Strombedarfs führen wird, beispielsweise durch den Umstieg auf Elektromobilität oder den Einsatz von Wärmepumpen zum Heizen von Gebäuden. Gerade da fast jedes andere Land in den kommenden Jahren mit einer ähnlichen Situation konfrontiert sein wird, soll es unser Ziel sein, den zusätzlichen Strombedarf vollständig mit inländischen erneuerbaren Energien (EE) zu decken.
Unter der Annahme eines Rückgangs der Kilometerleistung aufgrund von Effizienz- und Suffizienzmassnahmen im Mobilitätssektor und einer erhöhten Sanierungsrate im Gebäudesektor erwarten wir bis 2030 einen zusätzlichen Strombedarf von 32,3 TWh pro Jahr. Dies bedeutet einen Anstieg um fast 50% im Vergleich zur heutigen Stromerzeugung. Ein weiterer Ausbau der erneuerbaren Energien nach 2030 wird für den Ausstieg aus der Kernenergie notwendig sein.
Wenn das volle Entwicklungspotenzial für Wasserkraft und Biomasse - ein Drittel des Windkraftpotentials - sowie die Hälfte der Effizienzpotenziale bei der Stromnutzung bis 2030 ausgeschöpft sind, müssen noch 16,4 TWh durch Photovoltaik auf Dachflächen, Fassaden und anderer bestehender Infrastruktur abgedeckt werden.
Werden keine oder unzureichende Massnahmen im Gebäude- und Mobilitätsbereich getroffen, ist der abzudeckende Bedarf entsprechend höher. Aber auch dieser Bedarf kann durch inländische PV-Anlagen gedeckt werden. Die vollständige Dekarbonisierung bleibt also allein eine Frage des Willens und nicht der technologischen Realisierbarkeit.
Dies gilt sowohl für die kurzfristige als auch langfristige Energiespeicherung. Die erforderlichen Technologien (verschiedene Arten von Batterien, Pump- und elektrothermische Speicherung, Druckluftspeicherung oder Power-to-Gas) sind bereits gut bekannt und in grosser Menge anwendbar. Ein forcierter Ausbau von PV-Systeme in den Bergregionen sowie von Windkraft würde den saisonalen Speicherbedarf weiter reduzieren.
Mit der Dekarbonisierung unseres Energiesystems machen wir uns zudem unabhängig von Öl- und Gasimporten, für welche die Schweiz in den letzten 40 Jahren 252 Milliarden ausgegeben hat. Diese Wertschöpfung kann in Zukunft im Inland bleiben und - anstatt ins Ausland zu fliessen - so tausende sinnvolle Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien finanzieren.
Wir schlagen insgesamt acht politische Massnahmen vor, um den Ausbau der erneuerbaren Energien und Speicherkapazitäten zu fördern und das Stromtarifsystem an zukünftige Produktionssysteme anzupassen. Kernstück ist ein kantonales System für den Handel mit Stromzertifikaten. Das System sieht vor, dass die Kantone jährlich ein Kontingent an erneuerbarem Strom liefern, das sich nach der Bevölkerungszahl des Kantons richtet. Ihre überschüssigen Zertifikate können Kantone an jene Kantone verkaufen, die ihr Emissionskontingent übertroffen haben, und umgekehrt. Dieses System kann den Kantonen einen Anreiz bieten, ihre erneuerbare Energieerzeugung zu steigern. Gleichzeitig bietet dieser Ansatz Flexibilität, indem er das unterschiedliche Potenzial und die ungleichen Voraussetzungen der Kantone berücksichtigt. Gleichzeitig wird ihre Autonomie gefördert, in dem ihnen die Entscheidung über die Art und Weise, wie sie ihr Kontingent erreichen wollen, selbst überlassen wird. Weiter sind alle Gebäudeeigentümer*innen - ob öffentlich oder privat - verpflichtet, innerhalb von 10 Jahren auf ihren Dächern PV-Anlagen zu installieren, sofern ihre Dächer als geeignet eingestuft werden. Die Grösse der Anlage muss an die Grösse des Daches und nicht an den eigenen Strombedarf angepasst werden. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass das Potenzial für PV-Anlagen auf Schweizer Dächern sehr hoch ist und die Solarkapazität rasch ausgebaut werden muss, um die Zielwerte für 2030 zu erreichen. Die Stromerzeugung wird kostendeckend vergütet, so dass für Hausbesitzer*innen, die zum Bau einer Solar- oder PV-Anlage verpflichtet sind, keine zusätzlichen Kosten anfallen. Finanziert wird diese Massnahme durch eine Erhöhung des bereits bestehenden Konsumentenzuschlags auf erneuerbare Energien. Zusätzliche Finanzierungsmöglichkeiten (z.B. zinslose Darlehen) können durch die Kantone, den Bund oder beauftragte Finanzinstitute wie Kantonalbanken, eine grüne Investmentbank oder einen Klimafonds bereitgestellt werden.
Diese beiden Massnahmen werden durch sechs begleitende Massnahmen unterstützt: Versteigerungen der Stromabnahmeverträge für grosse EE-Anlagen, ein vereinfachtes und verkürztes Bewilligungsverfahren, ein Förderprogramm zur Ausbildung von zusätzlichem Personal, die Abschaffung von sämtlichen Netzgebühren für Speichertechnologien, eine aktive Förderung von Solaranlagen auf freien Flächen und eine neue Struktur der Stromtarife.