Wegen der Corona-Krise würde den Schweizer Fluggesellschaften bereits in wenigen Wochen das Geld ausgehen. Ihr Vertreter*innen klopfen beim Bundesrat an und handeln in geheimen Gesprächen ein Rettungskredit von fast zwei Milliarden Franken aus. Dass die Swiss diesen Kredit jemals wieder zurückzahlen wird, ist sehr unwahrscheinlich. Die Steuerzahler*innen haben somit der Flugbranche de facto zwei Milliarden Franken geschenkt.

Bei der Ankündigung dieses Geschenkes an die Swiss erwähnte Umweltministerin Simonetta Sommaruga in einem Nebensatz, dass die Rettung die Klimaziele des Bundesrats berücksichtigen würde, später gab Finanzminister Ueli Maurer zu, dass der Bundesrat gar keine Klimaziele hat. Bei der Behandlung des Geschäfts in den beiden Kammern waren die Parteien, welche sonst gerne einen schlanken Staat hätten und was von freiem Wettbewerb schwafeln, plötzlich die grössten Verteidigerinnen einer Staatsrettung. Ihre grüne DNA aus dem Wahljahr ist wohl bereits wieder verblasst. Am Ende hiessen beide Kammern das Geschäft gut, im Nationalrat stimmten nur die Grünen geschlossen dagegen [1]. Die SP hat das Geschäft im Nationalrat grössenteils abgelehnt, im Ständerat aber hat niemand der Fraktion dagegen gestimmt wie auch bei den Grünen, das Geschäft wurde einstimmig angenommen [2]. Geschlossen angenommen im Nationalrat haben es die GLP, die CVP und die FDP, bei der SVP gab es wenige Nein-Stimmen.

Nach 17 Monaten “Druck von der Strasse” hat sich die parlamentarische Politik von rechts bis links nicht einmal die Mühe gemacht, vorzugeben, dass sie die Klimakrise kümmern würde. Auch wenn dies in den bürgerlichen Medien nicht durchgedrungen ist, die Rettung der Flugbranche bedeutete ein Scheitern der Schweizer Klimapolitik auf der ganzen Linie. Diese Rettung wäre der Schlusspunkt einer miserablen Klimapolitik gewesen, wenn nicht in der Sommersession die Revision des CO2-Gesetzes behandelt worden wäre. In unserer Medienmitteilung bezeichnen wir das Gesetz als katastrophal, diese Bezeichnung hat das Gesetz definitiv verdient. Die CO2-Emissionen im Inland müssen bis 2030 um 37.5% gegenüber 1990 reduziert werden. Bis 2020 müssen die CO2-Emissionen bereits um 20% reduziert werden, in den nächsten zehn Jahren müssen die CO2-Emissionen also nur noch um 17.5 Prozentpunkte gegenüber 1990 sinken, oder 1.75 Prozentpunkte. Diese Reduktion ist weit entfernt von unseren 13% pro Jahr gegenüber 2020.

In der Debatte zum CO2-Gesetz haben SP und Grüne gar nicht erst einen Vorstoss für netto null 2030 eingereicht, obwohl die Basis beider Parteien vor über einem Jahr beschlossen hatte, die Forderungen des Klimastreiks zu unterstützen. Stattdessen sagte Roger Nordmann, Fraktionschef der SP, dass nicht einmal in einem autoritären Staat netto null 2030 zu erreichen sei [3]. Dass netto null 2030 wenn überhaupt nur mithilfe autoritärer Mittel zu erreichen sei, ist übrigens eine weit verbreitete Ansicht unter linken Parlamentarierinnen und Bundesrätinnen, natürlich auch bei rechten Politiker*innen, aber das ergibt sich von selbst aus ihrer Position in der Klimathematik und gegenüber dem Klimastreik. Einer basisdemokratischen Bewegung die Lust nach Autoritarismus zu unterstellen entbehrt jeglicher Logik, besonders wenn man bedenkt, dass die Klimapolitik in den letzten vierzig Jahren sehr autoritär geführt wurde. Wenige mächtige, mehrheitlich männliche, weisse Personen bestimmen über die Zukunft der Menschheit, lassen Blockaden von fossilen Projekten mit brutaler Polizeigewalt auflösen und scheren sich einen Deut um das Leben von Millionen Menschen im Globalen Süden. Auch in der Schweiz sind über 60% der Bevölkerung für netto null bis 2030, die Mehrheit der Menschen steht hinter einem starken Klimaschutz [4]. Der Klimastreik hat mit dem Aufbau von lokalen Klimagruppen gezeigt, dass Politik nicht nur in verstaubten Sälen in Bern gemacht wird, sondern auch lokal und basisdemokratisch auf der Strasse und in den Quartieren.

Sowohl die Grünen wie auch die SP wählen in den nächsten Monaten ein neues Präsidium oder haben bereits eins gewählt. Alle Kandidat*innen betonen stets, wie wichtig die Stimme der sozialen Bewegungen ist und wie sie diese besser einbinden wollen. Falls dies wirklich ihr Ziel ist, dann machen sie einen ziemlich schlechten Job. Sogar der SP und den Grünen gingen gewisse Massnahmen unseres Krisenaktionsplans zu weit, obwohl diese nur gerade das notwendige Minimum sind und noch nicht ausreichen, um netto null 2030 zu erreichen. Bei einem Koordinationstreffen zur Einreichung der Vorstösse konnte uns niemand eine klare und befriedigende Antwort auf die Frage geben, wie sie gedenken, das 1.5-Grad-Ziel erreichen zu können. Es wurde sehr deutlich, dass sie unsere Aufgabe vor allem darin sehen, “Druck” auf das Parlament auszuüben. Was genau unter diesem “Druck” verstanden werden sollte, bleibt unklar. Die 100’000 Menschen an der Klimademo in Bern am 28. September haben anscheinend nicht genug “Druck” ausgeübt, um den Bundesrat oder das Parlament so stark unter Druck zu setzen, dass sie auch noch ans Klima denken würden, wenn sie der Flugbranche ein Zwei-Milliarden-Geschenk schnüren.

Im Klimastreik existiert die weit verbreitete Meinung, Politiker*innen hätten einfach den Ernst der Lage noch nicht erfasst und unsere Aufgabe ist es, sie aufzuwecken. Dabei nimmt man an, dass ein Präsident von Swissoil, welcher immerhin einen ETH-Abschluss hat, sich weniger der Situation bewusst wäre als ein achtjähriges Kind, das zum ersten Mal von der Klimakrise hört. Parlamentarier*innen und Bundesrät*innen wissen sehr wohl, wie ernst die Lage ist. Sie wissen, dass Millionen Menschen ihr Zuhause oder sogar ihr Leben wegen der Klimakrise verloren haben oder noch verlieren werden. Wenn sie der Flugbranche zwei Milliarden schenken, dann machen sie das im Wissen, welch verheerendes Leid diese zusätzlichen CO2-Emissionen verursachen werden.

Der Klimastreik hat bis jetzt seine Strategie oft nach der Agenda der institutionellen Politik ausgerichtet. Wir haben die Klimacharta [5] und das Klimablatt [6] vor den Eidgenössischen Wahlen 2019 lanciert, besonders stark auf die Klimademo kurz vor den Wahlen mobilisiert und den Krisenaktionsplan kurz vor der Sommersession veröffentlicht.

Offensichtlich sind wir mit unserem bisherigen Vorgehen nicht an den Punkt gelangt, an dem wir sein müssten. Sich an die institutionelle Politik zu wenden, hat nicht funktioniert. Es ist also der Zeitpunkt gekommen, dieses Vorgehen grundsätzlich zu hinterfragen. Wir müssen uns überlegen, wie wir unsere Themen auf die Agenda bringen, unabhängig davon, was das Parlament gerade diskutiert. Wir müssen uns fragen, was wir machen müssen um netto null zu erreichen, unabhängig davon was das Parlament dazu sagt. Wir müssen den gesamtgesellschaftlichen Wandel schaffen, unabhängig davon, welche Rolle das Parlament dabei spielt.